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·29. April 2025
Der Rice läuft heiß: Arsenals Mittelfeldmotor im Fokus

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Eigentlich hatte Arsenal Declan Rice als Abräumer vor der Abwehr verpflichtet. Mittlerweile ist aus dem 26-Jährigen ein echter Unterschiedsspieler geworden. Was den Engländer so stark macht.
Die Arsenal-Frauen haben vorgelegt, jetzt sind die Männer in der Pflicht. Nachdem die Damenmannschaft der Gunners sich im Halbfinale der Champions League gegen Olympique Lyon durchsetzte, trifft die Mannschaft von Mikel Arteta am Dienstag auf Paris Saint-Germain (21 Uhr, Prime Video). Im Mittelpunkt steht einmal mehr Declan Rice, der seit seinem Wechsel in den Norden Londons eine beachtliche Entwicklung durchlaufen hat, die mit den beiden fulminanten Freistoßtoren im Viertelfinalhinspiel gegen Real Madrid ihren vorläufigen Höhepunkt fand.
2023 setzte sich Arsenal im Poker um den englischen Nationalspieler von West Ham United durch und stach dabei unter anderem Manchester City aus. Die 122 Millionen Euro, die der Tabellenzweite der Premier League an die Hammers überwies, markierten die höchste Ablösesumme, die bis heute für einen Engländer auf den Tisch gelegt wurde. Von vielen Seiten wurden Zweifel geäußert, ob der Mittelfeldspieler diese horrende Summe wert ist.
Knapp zwei Jahre später hinterfragt dagegen kaum noch jemand, ob sich das Investment der Gunners gelohnt hat. Arsenal-Anhänger fühlten sich nach Rice‘ Glanzauftritten gegen Real sogar unwohl mit der Ablöse und forderten augenzwinkernd, West Ham fürs gute Gewissen weitere Millionen nachzuzahlen.
Eigentlich wurde der Nationalspieler verpflichtet, um Thomas Partey von der Sechserposition zu verdrängen und vor der Abwehr aufzuräumen. Schließlich hatte der ehemalige Jugendspieler des FC Chelsea diese Rolle jahrelang formidabel bei West Ham ausgefüllt, seinen Jugendklub sogar zum Titel in der Conference League geführt.
Doch Arteta sah sich aus mehreren Gründen im Laufe der Saison 2023/2024 gezwungen, Rice etwas offensiver aufzubieten. Zum einen spielte Partey – wenn er nicht verletzt ausfiel – weiterhin zu stark, um ihn in die zweite Reihe zu verbannen. Zum anderen kristallisierte sich heraus, dass Kai Havertz, der zweite teure Neuzugang, sich in der Sturmspitze deutlich wohler fühlt als in der ihm zugedachten Rolle als Ersatz für den abgewanderten Granit Xhaka.
Gleich schlägt’s ein: Gegen Real gelingen Rice zwei Traum-Freistöße.(Photo by Justin Setterfield/Getty Images)
Mit Havertz im Angriffszentrum und Rice als linkem Achter spielte Arsenal 2023/2024 eine herausragende Rückrunde und verpasste die Meisterschaft nur mit zwei Punkten Rückstand auf Manchester City. Der Engländer verkörperte einen klassischen Box-to-Box-Spieler, war das Verbindungsstück zwischen Defensive und Offensive. Sieben Tore und neun Vorlagen gelangen ihm in der Premier League – persönlicher Rekord.
In der laufenden Saison agiert Rice weiterhin im zentralen Mittelfeld, auch weil Thomas Partey seine chronischen Verletzungsprobleme im letzten Vertragsjahr endlich überwinden konnte. In der Liga kommt Rice zwar nicht an seine Scorerleistung aus der Vorsaison ran (zwei Tore, sieben Vorlagen), traf dafür bereits viermal in der Champions League. Die beiden sensationellen Freistöße gegen Real Madrid spiegeln die Entwicklung des 26-Jährigen perfekt wieder. Aus einem sehr guten Sechser ist ein Unterschiedsspieler geworden, wie ihn sich jeder Trainer wünscht. Dass Rice bei Standards eine Waffe ist, ist derweil nichts Neues. Schon lange ist er bei Arsenal für die gefürchteten Eckbälle von der linken Seite verantwortlich.
In Artetas System kann Rice zudem seine Dynamik viel effektiver einsetzten, treibt das Leder gerne mal 30, 40 Meter über den Platz. Auch im Pressing kommt dem gebürtigen Londoner eine große Bedeutung zu. Seine Zweikampfstärke ermöglicht ihm immer wieder hohe Ballgewinne, wie vor dem ersten Tor beim 5:1 über Manchester City. Wählen die Gunners mal einen defensiveren Ansatz, lässt sich Rice neben Partey in eine Doppelsechs fallen.
Arteta schätzt nicht nur seine Fähigkeiten auf dem Platz, sondern weiß auch, dass er in Rice einen echten Leader in seinen Reihen hat. „Wenn er spricht, hören die Leute zu und passen auf – und er hat die natürliche Fähigkeit, das zu tun“, sagte der Spanier im Februar 2024. Der große Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. „Der Trainer ist unglaublich, er hat uns alles gegeben, was er konnte, um Fußballspiele zu gewinnen. Jetzt liegt es an uns“, so Rice über seinen Coach, der einst selbst im Mittelfeld der Gunners die Fäden zog. Die ersehnte Meisterschaft wird auch in diesem Jahr nicht in den Norden Londons zurückkehren, der volle Fokus gilt nun der Königsklasse. Die konnte Arsenal bisher noch nie gewinnen.
Verlängerter Arm: Mikel Arteta schätzt Rice‘ Führungsqualitäten. (Photo by Justin Setterfield/Getty Images)
Die nächste Hürde hat es in sich. Mit Paris Saint-Germain wartet eine der formstärksten Mannschaften des Kontinents auf die Gunners, die weiterhin auf Kai Havertz, Gabriel Magalhaes und Gabriel Jesus verzichten müssen. Gegen PSG wird Declan Rice mit irischen Wurzeln wohl in seiner angestammten Position vor der Abwehr gefordert sein. Thomas Partey fehlt nach einer vermeidbaren gelben Karte im Rückspiel gegen Real Madrid gesperrt.
Arteta muss daher sein Mittelfeld umbauen. Die naheliegendste Variante wäre, Rice auf die Sechs zurückzuziehen und Aushilfsstürmer Mikel Merino wieder auf seiner linken Acht aufzubieten. Im Sturm winkt in dem Fall Leandro Trossard ein Startelfmandat. Als Partey-Ersatz kommen darüber hinaus auch Myles Lewis-Skelly und Jorginho infrage. Dann könnte Arteta Rice weiterhin offensiver aufbieten. Dem 26-Jährigen wird es herzlich egal sein, welche Rolle er letztendlich einnimmt. In seiner aktuellen Verfassung scheint dem Führungsspieler ohnehin alles zu gelingen. Gute Voraussetzungen, um es den Arsenal-Ladies gleichzutun.
(Photo by Justin Setterfield/Getty Images)