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·16. März 2025

Der Zug hat keine Bremse

Artikelbild:Der Zug hat keine Bremse

Das Spiel ist schnell erzählt: Der Jahn mit den Startelf-Neulingen Anssi Suhonen und Noah Ganaus (für Ernst und Hottmann) hielt wie des Öfteren ordentlich mit und hatte mit Adamyan (14.) und Ganaus (24.) zunächst sogar die besseren Gelegenheiten. Nach einer halben Stunde wurde Düsseldorf stärker und erzielte nach einer Ecke, unter der Pollersbeck durchsegelte, die Führung: Oberdorfs Schuss lenkte Zimmermann mit der Hacke ins Tor (41.).

Aus der Pause kam die Fortuna dann sehr druckvoll mit Gelegenheiten von Kownacki (47.), Johannesson (53.) und Vermeij (55.), die die Heimelf aber ausließ. In der Folge kontrollierte diese die Partie, der Jahn konnte keine Durchschlagskraft entwickeln. Nur die eingewechselten Hottmann (80.) und Hein (94.) näherten sich noch einmal dem F95-Tor an.


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Die Stimmen zum Spiel

Leopold Wurm…

…über das Spiel: Eigentlich über weite Strecken sehr gut. Vor allem mit Ball, da hatten wir eine gute Staffelung. Dann wieder ein Fehler hinten, wo wir das Gegentor kriegen. Dann schaffen wir es nicht, das Tor zu machen. Vorne fehlt der letzte Punch und dann verlierst du.

…über das Gegentor: Mit mir macht das im Spiel relativ wenig. Ich will einfach weiter so spielen, weil wir gut drin waren. Nicht nachlassen und auf das Tor drücken, wir waren ja nur einen Treffer hinten.

…wie man Julian Pollersbeck aufbaut: Ich lasse ihn da in Ruhe. Polle ist erfahren, der weiß selbst am besten, wie er damit umzugehen hat.

…über den Glauben an den Klassenerhalt: Klar wird es sehr schwer. Wir müssen in den letzten Spielen auf alles oder nichts gehen und alles reinwerfen, um Punkte zu holen.

…über die Schwächephase zu Beginn der 2. Halbzeit: Die ersten fünf bis zehn Minuten waren nicht so gut, da haben die Düsseldorfer gut gedrückt. Wir haben ein bisschen gebraucht, bis wir mal wieder den Ball hatten. Wir sind einfach nicht ruhig genug am Ball geblieben. Wir haben zu wenig Druck ausgeübt und haben Düsseldorf zu sehr kombinieren lassen.

Tim Handwerker…

…über das Spiel: In der ersten Halbzeit haben wir ein gutes Spiel gemacht. Im Ballbesitz war das ordentlich. Defensiv auch ordentlich, aber es kam auch nicht so viel – bis kurz vor der Pause, wo das Gegentor fiel. Kurz nach der Halbzeit hätten die schon ein oder zwei machen können. So bleibt es beim 0:1 und du stehst wieder blöd da nach einem Standard-Gegentor. Ist bitter.

…über das Gegentor: Jeder von uns macht Fehler, da stehen auch viele von uns vorm Tor, die das hätten wegverteidigen können. Deswegen will ich Polle das gar nicht so zuschreiben.

…über sein Fitnesslevel nach der langwierigen Verletzung: Nach langen Verletzungen dauert es ein komplettes Jahr, bis man wieder bei einhundert Prozent ist. Ich fühle mich körperlich sehr gut, aber brauche ein paar Spiele am Stück, damit man wieder Kontinuität drin hat. Letztes Mal waren es 90, jetzt 70 Minuten sind auch wieder ordentlich. Ich hoffe, dass es so weitergeht und dann werde ich peu-a-peu wieder komplett auf dem Level sein.

Chef-Trainer Andi Patz…

…über den Glauben an den Klassenerhalt: Den Außenstehenden und auch uns fällt es gerade extrem schwer. Gerade nach einer Niederlage, die bitter und unnötig war. Aber wie wir uns heute und auch letzte Woche gegen Teams präsentiert haben, die ganz oben stehen und ganz andere Ziele haben, gibt mir Mut. Das zeigt mir, dass die Mannschaft intakt ist, daran glaubt und alles dafür investiert. Solange es möglich ist, werden wir alles daran setzen.

…über den schlechten Start aus der Halbzeit: Fortuna hat einiges angepasst und wollte Druck ausüben. Das Gegentor kurz vor der Halbzeit macht es schwer, die Jungs waren enttäuscht. Aber so eine Phase gilt es zu überstehen, gerade im Auswärtsspiel bei Düsseldorf. Ich kann den Jungs keinen Vorwurf machen, nicht alles investiert zu haben.

…über den Startelfeinsatz von Noah Ganaus: Er hatte es auch mal verdient, von Anfang an zu starten. Er hatte mehrere gute Wochen am Stück im Training. Das sind immer Entscheidungen für einen Spieler und nicht gegen andere. Wir versuchen auch immer noch einen Impuls zu setzen, die nötige Frische reinzubringen, gerade nach einer kurzen Woche wie der letzten. Er hat ein ordentliches Spiel abgeliefert, aber in der ein oder anderen Situation fehlt das Durchsetzungsvermögen, wo er noch stabiler, cleverer sein und den Abschluss einfach erzwingen muss, egal wie. Da fehlt ihm noch etwas die Erfahrung.

…über das Gegentor: Wir werden das in Ruhe anschauen und analysieren. Ich bin weit davon entfernt, irgendjemanden als Schuldigen herauszupicken. Wir haben gemeinschaftlich verloren, ich stehe in der Verantwortung für die Niederlage. Klar ist immer einer der Letzte in der Reihe, aber man kann auch sagen: Der Ball fällt genau bei einem Fortuna-Spieler runter, an dem wir nicht dran sind. Es sind immer mehrere Faktoren.

Mitarbeit: Tom Süß

Fansicht: Ein Glaube, der verblasst

Bemerkenswert war, wie der Trainer um kurz vor 16 Uhr zu den Journalisten trat. Er philosophierte über die Alternativlosigkeit des Glaubens: Man habe nicht viel verändert, aber durch feste Abläufe versucht, den Spielern Sicherheit zu geben. (…) Kollektiv vor Individualität – das ist der Jahn. Räume schaffen, in denen der Gegner verwundbar ist, dort Zweikämpfe gewinnen und umschalten – so wurde der Sieg errungen. Nachbericht nach dem Sieg gegen SVE

So klang es damals, als der Glaube noch existierte – oder vielleicht wieder existierte, nach dem Sieg gegen Elversberg im November 2024. Nicht aus Überzeugung für eine mutige Spielidee, sondern aus Vertrauen in Ordnung und Halt. Dass Stabilität ausreicht, um in dieser Liga zu bestehen. Doch was passiert, wenn selbst diese Stabilität nicht mehr trägt?

26 Spieltage sind nun vorbei. -40 Tore. Mehr als sieben Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. Die nächste Niederlage in Düsseldorf. Die Tabelle ist keine Momentaufnahme mehr, sondern ein Urteil. Ein Urteil über eine Mannschaft, die oft nur eine Struktur hatte – aber selten eine Vision.

Immer wieder kommt der Gedanke auf, dass der Winter die Chance auf Veränderung bot. Doch anstatt gezielt Impulse zu setzen oder eine klare Richtung vorzugeben, unterstrich die Transferpolitik nur, was längst offensichtlich war: dass dieser Kader ohne übergreifende, dauerhafte Idee zusammengestellt wurde. Es ging nicht darum, eine Identität zu schärfen – sondern nur darum, irgendwie Qualität zu holen. Doch Qualität allein reicht nicht, wenn sie nicht in eine Idee eingebunden ist, die über defensive Kompaktheit hinausgeht.

Fußball kann man mit Disziplin überleben – solange die Ergebnisse stimmen. Solange eine Struktur greift, Sicherheit gibt und am Ende auch mal der Ball ins gegnerische Tor fällt. Doch wenn dieser Pragmatismus scheitert, nimmt er mehr mit sich als nur Punkte. Er erstickt den letzten Funken an Glauben. Er hinterlässt eine Leere, in der nichts wachsen kann – weil nie etwas gesät wurde.

Man kann Leidenschaft und Stabilität kombinieren, aber festgefahrene Stabilität kann Leidenschaft auch neutralisieren. Gegen Düsseldorf wirkte der Pragmatismus phasenweise, doch es zeigte sich auch seine dunkle Seite: Fängst du ein Tor, stehst du in der Sackgasse. Dann verfällt der Pragmatismus in eine Dauerschleife, in der auch die Leidenschaft verpufft.

Die Abläufe laufen weiter. Die Spieler besetzen ihre Räume, verschieben, schalten um. Aber es fehlt die Überzeugung. Es fehlt das Gefühl, dass es noch eine Richtung gibt.

Der Trainer hat – soweit man es von außen erkennen kann – nicht viel verändert. Vielleicht war genau das das Problem.

Auf Stabilität ausgerichtete Strukturen können eine Mannschaft einfangen. Sie können über Wochen hinweg Halt geben. Doch sie sind kein Konzept für eine ganze Saison. Sie sind kein Fundament, wenn der Erfolg ausbleibt. Dann werden sie zur leeren Hülle – zu einem Schema, das nur noch existiert, weil es keine Alternativen gibt.

Diese Mannschaft hatte keinen Plan für die Krise. Weil sie kaum einen Plan hatte, der über Sicherheit hinausging. Keine Identität, an der man sich festhalten konnte. Keine Idee, die man weiterentwickeln konnte. Keine Vision, die über das Hier und Jetzt hinausweist.

Es gibt nur noch den Pragmatismus. Und wenn selbst der nicht mehr trägt, bleibt nichts mehr übrig. So sieht man es immer wieder, und so sah man es auch in Düsseldorf.

Ein Verein darf nicht seine Seele verlieren

Auch heute muss man wieder sagen: Die Momente, in denen das Team das Publikum zurückholt, bleiben aus. Und wenn sie doch kommen, wirken sie erzwungen – wie eine einstudierte Geste, die niemandem mehr wirklich etwas bedeutet.

Und trotzdem standen sie auch heute wieder da. Die Allesfahrer. Die Auswärtsfahrer. Diejenigen, die sich den Spieltag nicht aus dem Kalender streichen – egal, wie sehr die Enttäuschung zum Ritual geworden ist. Auch heute wieder. Auch in dieser Saison, die längst nicht mehr nur schmerzhaft ist, sondern schlichtweg leer.

Diesen Menschen gehört der Dank. Denn sie bleiben diesem Verein treu, egal, was passiert. Sie sind es, die Woche für Woche an den Orten auftauchen, an denen sonst niemand mehr hingehen würde. Sie sind es, die spüren, dass wirklich etwas passieren muss.

Auch heute muss man wieder sagen: Ein Abstieg ist für den SSV Jahn nicht das Schlimmste. Schlimmer wäre es, wenn ein Verein über eine Saison hinaus seine Seele verliert – oder sie zumindest beschädigt wird. Wenn Gleichgültigkeit bleibt, wo einst Leidenschaft war. Wenn keine Idee mehr existiert, an die man sich klammern kann.

Und genau das droht jetzt. Dieser Verein verliert nicht seine Leute – aber er verliert ihren Glauben.

Die Menschen werden weiterhin ins Stadion gehen. Sie werden weiterhin auswärts fahren. Sie werden weiterhin ihre Farben tragen. Aber wenn diese Visionslosigkeit aus der Vereinsführung heraus bestehen bleibt, dann wird etwas anderes verschwinden: Die Überzeugung, dass es sich lohnt, für diesen Verein zu brennen. Dass es eine Richtung gibt, die all das erträglicher macht. Dass hier ein Fundament existiert, auf dem sich nach dieser Saison etwas Neues aufbauen lässt. Dass man auch gehört wird – selbst wenn man “nur” Fan ist.

Ein Verein kann es verkraften, ein Jahr lang nicht zu gewinnen. Er kann es verkraften, abzusteigen. Aber er kann es nicht verkraften, wenn das, was ihn ausmacht, über eine Saison hinaus verloren geht.

Noch sind sie da. Noch stehen sie hinter dem Verein. Doch wenn nichts passiert, wird irgendwann der Punkt kommen, an dem sie es nur noch aus Gewohnheit tun. Und das ist mindestens genauso schlimm, wie wenn sie gar nicht mehr kommen.

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