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·11 January 2025
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·11 January 2025
Es war ein emotionaler und packender Auftakt in das Bundesliga-Jahr 2025. Eine Partie zweier Teams mit großen Ambitionen, die letztlich nur der amtierende Meister Bayer Leverkusen vollumfänglich unterstreichen konnte. Beim BVB fällt die Analyse der ersten Heimniederlage der Saison unterschiedlich aus.
Das Spiel stand seitens des BVB ganz im Zeichen des kürzlich verstorbenen Wolfgang „Teddy“ de Beer. Vor Anpfiff würdigte man den Ex-Keeper und Publikumsliebling in einer emotionalen Verabschiedung, bei der Stadionsprecher Norbert Dickel gar die Stimme versagte. Auf Leverkusener Seite sorgte vor allem ein Thema für Gesprächsstoff: Florian Wirtz musste zunächst auf der Bank Platz nehmen, was Xabi Alonso und Simon Rolfes zunächst bewusst unkonkret mit einem „kleinen Thema am Morgen“ begründeten.
Doch auch ohne den 21-jährigen Superstar erwischte Bayer einen Traumstart in die Partie. Nach wenigen Sekunden leistete sich Yan Couto einen leichtsinnigen Fehlpass, Tella kam an die Kugel und drosch diese herrlich zur frühen Führung in die Maschen – das zweitschnellste Tor der laufenden Saison. Der Treffer hat Wirkung hinterlassen, der BVB fand nicht ins Spiel und konnte die Leverkusener Offensivpower auch beim zweiten und dritten Angriff nicht verteidigen.
Die Treffer fielen nach demselben Muster: Es ging über wenige Stationen vertikal in die Tiefe, am Ende bedienten beim 0:2 Pierro Hincapie und beim 1:3 Jeremie Frimpong jeweils Patrik Schick, der sich mit elf Toren in den letzten sechs Spielen in absoluter Topform befindet. Beim BVB ging die Fehlerkette derweil schon vorne los. Es gelang nicht, mit dem eigenen Pressing genügend Drück auf die spielaufbaustarke Dreierkette auszuüben. Deswegen konnte sich Bayer in das Mittelfeld spiele, wo Dortmund die Ordnung fehlte. Schlussendlich war die uneingespielte Abwehr dann überfordert, aber sicher nicht der einzige Grund für die Probleme.
Jamie Gittens besorgte zwar den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer, nachdem er eine missratene Klärungsaktion von Robert Andrich clever verwertete und den Ball aus ungünstigem Winkel über Lukas Hradecky lupfte, mehr als Hoffnung kam aber nicht auf – im gesamten Spiel.
Die frühen Gegentore waren ein echter Nackenschlag, wie Gregor Kobel nach Abpiff feststellte: „Es kann nicht sein, dass wir so schnell so einfache Tore kriegen.“ Sein Coach Nuri Sahin schloss sich ihm an: „Die Gegentore bekommen wie viel zu einfach, das darf uns nicht passieren.“ Dass die aufgebotene BVB-Abwehr mit dem 18-jährigen Almugera Kabar und dem 21-jährigen Yannik Lührs fast schon einer Notbesetzung gleichkam, ließ Sahin nicht gelten. „Ich erwarte von meinen Jungs, dass sie das besser verteidigen.“
Tatsächlich konnte sich Bayer bei allen drei Treffern fast ungestört durch die Dortmunder Hintermannschaft kombinieren, die junge Defensive der Dortmunder fand überhaupt keinen Zugriff. Aber, wie erwähnt, sie waren nicht alleine Schuld und die Personalsorgen in der Abwehr nicht der alleinige Grund. Denn der Dominanzansatz mit flachem Herausspielen ohne Eingespieltheit spielte Leverkusen zusätzlich in die Karten. Ideal war Sahins Matchplan für diesen Gegner sicher nicht.
Über den weiteren Spielverlauf herrschte in den Dortmunder Reihen nach Abpfiff keine Einigkeit. Kobel und Sahin zeigten sich mit dem eigenen Auftritt abgesehen von den Defensivschwächen weitestgehend zufrieden. „Wir haben einen klasse Fight gezeigt. Es war kein schlechtes Spiel von uns, wir hatten unsere Chancen“, so der Schweizer Keeper. Auch Sahin befand, dass der BVB „immer wieder in die Räume“ kam. Julian Brandt, der gestern als BVB-Kapitän auflief, hielt dagegen: „Wir hatten viel Ballbesitz, aber überwiegend um die Mittellinie. Gerade im Eigenstadion haben wir uns für heute mehr vorgenommen.“
Tatsächlich war Dortmund in puncto Ballbesitz mit insgesamt 70 Prozent haushoch überlegen. Aus der optischen Überlegenheit entstanden aber eben nur sechs Schüsse aufs Leverkusener Tor. Der Meister verteidigte aufmerksam und griffig gegen den Ball, 54% gewonnene Zweikämpfe unterstreichen die starke Defensivarbeit.
Und der Ballbesitz war mehr Fluch als Segen für den BVB. Karim Adeyemi und Jamie Gittens sind zwei pfeilschnelle Spieler, die vor allem von Räumen und Gegenstößen profitieren. Sie mussten sich den Ball aber teilweise tief abholen oder wurden in Situationen geschickt, in denen sie sich gleich drei Gegenspielern und einer geordneten Leverkusener Mannschaft gegenüber sahen.
Patrick Schick ließ nach 60 Minuten die große Chance zur Entscheidung liegen, Kobel parierte stark. Bei einem 1:4 wäre das Spiel wahrscheinlich durch gewesen, so gab sich der BVB aber noch nicht auf. Die Bemühungen belohnten sich: Nach VAR-Eingriff wertete Referee Stieler den Kontakt von Tapsoba im Gesicht des eingewechselten Duranville als strafwürdig und zeigte auf den Punkt. Serhou Guirassy verwandelte und machte die Schlussphase noch einmal spannend. Nennenswerte Chancen blieben aber eine Fehlanzeige.
Granit Xhaka zeigte sich ob der Elfmeter-Entscheidung angefressen: „Das ist niemals ein Elfmeter. Der Schiedsrichter hat das Spiel noch einmal spannend gemacht. Wir haben eine sehr reife Leistung gezeigt und haben gemacht, was nötig war. Wenn Patrick das vierte Tor macht, ist das Spiel viel früher entschieden.“ Tatsächlich forderte Bayer zuvor selbst vehement Strafstoß, als Adeyemi Schick bei einer Ecke direkt vor dem Halbzeitpfiff zu Boden zog. Der VAR schaltete sich nicht ein, Stieler pfiff zur Pause. Es ist also die neueste Episode des alten Liedes um die sogenannte „Eingriffsschwelle“ des VAR. Die beiden Szenen dürften nicht gerade zur Klärung dieser Frage beigetragen haben.
(Photo by Lars Baron/Getty Images)
Xabi Alonsos Matchplan ging voll auf, das Verzichten auf Ballbesitz war in einigen Phasen gar der Schlüssel. Der Erfolgscoach zeigte sich sehr glücklich über den Sieg zum Jahresauftakt: „Wir hatten eine gute Mentalität bis zur letzten Minute. Wir haben das Spiel ohne Ball kontrolliert. Ich liebe diese Art zu siegen.“
Die Werkself überließ dem BVB meist das Spiel mit dem Ball und wusste die junge Dortmunder Abwehr in den richtigen Momenten aggressiv unter Druck zu setzen. Der BVB wiederum ließ die nötige Präzision und Durchschlagskraft in der Offensive vermissen. So mussten für die beiden Tore ein Elfmeter sowie ein Zufallsprodukt her, auch wenn Gittens beim 1:2 nach Andrichs misslungener Grätsche clever vollstreckt.
Borussia Dortmund verlor zum ersten Mal seit 2004 das erste Spiel eines Kalenderjahres sowie ein Freitagabendspiel im heimischen Stadion. Mit 25 Punkten liegt der BVB nach diesem richtungsweisenden Spiel bereits zehn Punkte hinter Leverkusen. Es scheint, als würden Brandt, Guirassy & Co. auch in dieser Saison wieder nicht in die Spitzengruppe der Liga vorstoßen können.
Für Bayer bedeutete der Sieg nicht nur einen gelungenen Jahresauftakt, sondern auch den sechsten Liga-Sieg in Serie. Wettbewerbsübergreifend konnte die Werkself sogar neun Spiele in Folge für sich entscheiden und ist auf dem besten Wege, den FC Bayern in einen spannenden Zweikampf um die Meisterschaft zu verwickeln. Leverkusen rückte mit dem Sieg bis auf einen Punkt an den Rekordmeister heran, wobei Bayern im Topspiel gegen Gladbach nachziehen kann.
Lange Zeit nach Abpfiff wurde ein Geheimnis dann doch noch gelüftet: Florian Wirtz verpasste die morgendliche taktische Einweisung, weil er im Stau stand.
(Photo by Lars Baron/Getty Images)
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