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·1 March 2025
Hannover 96: Angrillen mit Frust-Level
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·1 March 2025
Ähnlich am Vorglühen war die Stimmung in der ganzen Nordkurve, wo die aktive Fanszene eine irre Choreo für das vor den Fernsehern versammelte Fußballdeutschland vorbereitet hatte. Ewige Ehre und Respekt für diese Darbietung, dies ist die Seele von unserem Fußball!
Ähnlich verliebt zeigte sich Coach André Breitenreiter unter der Woche – und zwar in die eigene Mannschaft. Diese begeistere ihn Woche für Woche bei der Umsetzung der Inhalte auf dem Trainingsplatz. Diese Liebe zahlte die Startelf am Samstagabend prompt zurück, zumindest kurzzeitig, als Marcel Halstenberg als verkapter Stoßstürmer überfallartig vor dem Paderborner Tor auftauchte und nach feiner Vorarbeit von Fabi Kunze und Jannik Rochelt zum frühen Paukenschlag einschob (4. Minute). Nun sind frühe Tore gegen den SCP historisch nichts Neues, schon vorher ließen es die Roten gerne mal früh klingeln.
Auch der kurz darauf folgende Lattenknaller-Freistoß von Marcel Halstenberg hätte einige Zentimeter tiefer gut in dieses Konzept gepasst. Tja, hätte hätte, 3er Kette. Aber dazu gleich mehr… Hier war die kurze Loveaffair auch schon wieder vorbei und Frust machte sich im Niedersachsenstadion breit.
Diese ersten 15 bis 20 Minuten von Hannover 96 zeigten folgendes deutlich:
Breitenreiters Eleven hat zwar Bock, aus gewonnenen Zweikämpfen heraus schnell und variabel nach Vorne zu spielen. Die Paderborner glänzten allerdings mit genug Spielintelligenz, um den „Breite-Code“ zu knacken, und verfügen aktuell um einige echt starke Kicker, die ganz schnell ihr eigenes Ding aufziehen können. Namen wie Zehnter, Obermair, Ansah, Brackelmann und Mehlem verwandeln die kleine graue Maus aus Ostwestfalen derzeit zu einem echten Geheimtipp auf die ganz oberen Plätze. Allein die Laufleistung dieses Teams rasiert momentan alles in Liga 2. Daraus resultierend hat es sich der Sportclub zum Signature Move gemacht, seine Gegner oft und gerne in der Schlussviertelstunde zu besiegen.
Die folgenden circa 70 Minuten zeichneten also ein völlig erschreckendes Bild, als die Männer von der Pader wie die Bekloppten anfingen, freie Räume zu nutzen und uns zu überlaufen: Hannover 96 igelte sich immer mehr in der Defensive ein, weil man mit Entsetzen feststellte, wie brutal der Gast plötzlich seine Automatismen abspulte. Die Blauweißen jagten unsere Elf fortan wie Trainingsgegner über den Platz. Wohlgemerkt dominierte hier der Gast (mit der drittbesten Auswärtsbilanz: erst eins von elf Gastspielen verloren!) die bis dato heimstärkste Mannschaft der Liga! Ich gehe mal so weit, nach der Deutlichkeit dieses Auftritts den SC Paderborn als den stärksten Gegner unserer bisherigen Rückrunde zu bewerten! Das war leider eine aufstiegsreife Leistung!
Am TV und von den höher gelegenen Plätzen im Stadion aus wurde das Dilemma gut sichtbar: Hannover 96 offenbarte große, unerklärliche Löcher im Mittelfeld, durch die der SCP immer wieder stoßen konnte. Dieses Manko war auch in den Spielen davor gut sichtbar und hatte in seiner Entstehung einen einfachen Grund: wenn wir den Ball in Höhe des letzten Drittels verlieren, kann sich der Gegner easy über das Vakuum herauskombinieren, dass ein aufgerückter Enzo Leopold hinterlässt. Dieser schiebt beim Aufrücken mit Ball die beiden 8er Gindorf und Rochelt auf die Halbaußen. Leopold wagt also zu viel 10er-Rolle. Gegen den Ball können begabte Mannschaften dann wunderbar in den verwaisten zentralen Mittelfeld-Raum stoßen. Paderborn hatte genau die Qualität, diese Räume zu sehen und zu nutzen.
Aber auch über die beiden Außenbahnen waren die Ostwestfalen stark und nutzten Balleroberungen ruckzuck für Gegenstöße, auf die wir gegen das lauffreudigste Team der Liga nicht reagieren konnten. Wir verloren vorne also durch miserables Passspiel zu leicht Bälle, offenbarten dahinter gravierende Lücken und bekamen die Füße nicht schnell genug in die Hände, um die Vorstöße zu unterbinden.
Selbst Breitenreiter ließ sich von dem Ansturm in Panik versetzen und stellte von stabiler 4er Kette auf 3er beziehungsweise 5er-Reihe um. Eine Anordnung, die schon vorher meistens in die Hose ging und eine Warnung für den Trainer hätte sein sollen. Breite zog seine Idee von defensiver Stabilität indes voll durch, opferte dafür aber den offensiven Punch. Rote Aktionen vor dem Paderborner Tor wurden absolute Mangelware. Zwar verteidigten Phil Neumann und Co. ihren Rang beim Zulassen der zweitwenigsten Großchancen der Liga. Das späte (und etwas glückliche) Tor von Grimaldi war nach dem ganzen Ansturm dann aber doch logisch und statistisch versprochen.
Was Hannover 96 am Ende also fehlte, waren zehn Minuten mehr Durchhaltevermögen und dreckiges Glück. Oder etwas mehr vorhandene Qualität von der Bank, für die ja angeblich kein Geld und kein Druck vorhanden war. Dann hätten wir den bis dato spielstärksten Gast irgendwie besiegt. Und spätestens beim Siegesbier in der Altstadt hätte keine Sau mehr nach dem „wie“ gefragt…