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Matti Peters·19 April 2025
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Matti Peters·19 April 2025
Nach dem bitteren Viertelfinal-Aus gegen Inter in der Champions League herrscht beim FC Bayern die große Ernüchterung. Der Traum vom "Finale dahoam 2.0" ist geplatzt, im DFB-Pokal scheitere München ebenfalls und der Gewinn der deutschen Meisterschaft ist angesichts der großen Verletzungssorgen und der defensiven Anfälligkeit ebenfalls in Gefahr.
Medial, aber auch unter den Fans hat sich Min-Jae Kim zuletzt als größter Sündenbock von allen herauskristallisiert. Das Spiel des Südkoreaners zunehmend fehlerbehaftet und weit weg vom zweikampfstarken Ruhepol, der er vor allem in der märchenhaften Meistersaison des SSC Neapel noch war. Woche für Woche liefert er seinen Kritikern mit kapitalen Stellungsfehlern, groben Aussetzern im Aufbauspiel und zaghaften Zweikampfverhalten immer wieder neues Futter.
Das Datenportal 'Opta' listet den 28-Jährigen innerhalb der Top-5-Ligen sogar als Innenverteidiger mit den meisten groben Fehlern unmittelbar vor einem Gegentor. Insgesamt sechs Schnitzer gingen in diese Wertung ein. Platz zwei dieses Rankings teilen sich drei Spieler, die jeweils viermal übel patzten.
Schon unter Thomas Tuchel entbrannte die Diskussion um Kims Tauglichkeit auf Weltniveau. Sein Ex-Trainer befeuerte die Debatte damals selbst, in dem er seinem Verteidiger mehrfach eine zu große Gier in gewissen Zweikampfsituationen unterstellte.
Unter dem neuen Trainer Vincent Kompany unterliefen Kim trotz großer Rückendeckung weiterhin Fehler. Vor allem in den sogenannten Topspielen. So auch gegen Inter. An drei der vier Gegentore war er direkt beteiligt. Und doch stellte sich Kompany im Nachgang erneut schützend vor seinen Spieler.
"Es ist absolut ausgeschlossen, dass ich mich gegen jemanden wende oder diese Diskussion überhaupt führe. Aber wenn wir eine Diskussion innerhalb des Vereins, in unserer Familie haben, dann sagen wir alles, was gesagt werden muss. Denn das ist der einzige Weg, um weiterzukommen", so der Belgier auf der Pressekonferenz nach dem CL-Aus.
Was Kims Rolle als ultimativer Sündenbock angeht, muss man sich fragen, ob die harsche Kritik der vergangenen Wochen überhaupt angebracht ist. Denn es gibt triftige Gründe, weshalb aus dem "Monster", wie ihn die italienische Presse zu Napoli-Zeiten bezeichnete, ein Fehlerteufel wurde.
Trotz des starken Gegenwinds ist Min-Jae Kim ein Dauerbrenner für Klub und Nationalmannschaft. In der laufenden Saison hat er schon 51 Einsätze in den Knochen. Davon spielte er gemäß eines Berichts der FIFPRO im Durchschnitt 89,4 Minuten. Die Spielergewerkschaft nannte den Südkoreaner kürzlich als alarmierendes Beispiel für die zu hohe Belastung der Spieler.
Im Fall von Kim kommt ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor hinzu - die Reisen mit der Nationalmannschaft. Zusätzlich zu den Strapazen für Spiele im Europapokal oder in der Bundesliga, sammelte er auch durch Trips mit den Taegeuk Warriors ordentlich Flugmeilen. Knapp 74.000 Kilometer soll Kim in der Saison 2024/25 angehäuft haben. Durch die Klub-WM und die Spieler in der WM-Quali in Asien werden noch viele weitere folgen, bis es in den verdienten Urlaub geht.
Die Ruhephase im Sommer wird bitter nötig sein, denn davon gab es speziell in den Wintermonaten im Prinzip keine. Auch das führte die FIFPRO mit einer schockierenden Statistik an. Kim führt eine Liste von Spielern an, die in aufeinanderfolgenden Spielen weniger als fünf Tage Regenerationszeit hatten.
Der Südkoreaner kam dabei auf unglaubliche 20 Partien in Serie ohne längere Verschnaufpause und hatte im Durchschnitt 3,7 Tagen Zeit durchzuatmen. Innerhalb von zehn Wochen spulte Kim damit ein Pensum ab, welches ungefähr einer halben Saison gleich kommt. Zudem empfehlen Experten aufgrund der körperlichen Belastung höchstens sechs Spiele in Serie unter diesen Bedingungen.
Als wären das nicht ohnehin schon ausschlaggebende Faktoren für Kims schwache Leistungen, so schleppt er sich auch schon seit Beginn der Saison mit Problemen an der Achillessehne über den Platz.
Einem Bericht der 'Bild' zufolge, haben sich diese mit der Zeit sogar zu einer Sehnenentzündung ausgeweitet, welche unter anderem auch der Grund für fehlende Explosivität im Antritt und eingeschränkte Sprungkraft sein soll. Müßig zu erwähnen, dass das Kernelemente für ein möglichst fehlerfreies Spiel eines Innenverteidigers sind.
Um es abzukürzen: Der Bayern-Verteidiger ist vollkommen überspielt und doch stellt er sich immer wieder in den Dienst der Mannschaft. Die angespannte Personalsituation in der Abwehr des deutschen Rekordmeisters lässt trotz gesundheitlicher Probleme sowieso kaum Schonungsmaßnahmen zu. Dass ein Spieler mit diesem schweren Rucksack seiner eigentlichen Leistungsfähigkeit vergeblich hinterherläuft dürfte niemanden verwundern.
📸 Alex Grimm - 2025 Getty Images